Gianluca Trifilòs Arbeit kreist um Abhängigkeit, Isolation und die Beziehung von gesellschaftlichen Realitäten. Im Werk «Blaues Vergessen» nimmt er Bezug auf die Geschichte der Zürcher Drogenszene in den 1990er Jahren. Nach der Räumung des Platzspitz' verschiebt sich die Szene in die angrenzenden Wohnquartiere, wo Tausende von Drogenabhängigen nach Schlupfwinkeln suchen, wo sie ihre Spritzen setzen können. Diesem neuen Faktum antwortet die Gesellschaft in Hausdurchgängen, frei zugänglichen Toiletten oder Garageneinfahrten mit blauem Neonlicht – mit der Absicht, dass Junkies ihre Venen nicht mehr erkennen können. Erst nach der Auflösung der offenen Drogenszene und der Implementierung einer kontrollierten Heroinabgabe, verschwindet auch die unterkühlte Beleuchtung wieder aus dem Stadtraum. 30 Jahre später lässt der Künstler die Atmosphäre, die in diesen Jahren in Zürich herrschte, im Ausstellungsraum neu aufleuchten. Mit seinen Installationen, die im Helmhaus an drei Orten zu finden sind, stehen Vergessen und Erinnern gleichwertig nebeneinander und konstruieren unwirtliche Räume, wie sie auch zu jener Zeit das Stadtbild von Zürich prägten. Die Drogenszene war zwar allgegenwärtig, wurde jedoch durch eine Politik und Gesellschaft marginalisiert, die mit ihr überfordert war. Stattdessen reagierte sie mit einer defensiven Architektur, die der Künstler als Lichtinstallation in den musealen Kontext transferiert.
Referenzierend auf Marcel Duchamps Urinal «Fountaine», welches dieser jedoch um 90° gedreht auf einem Sockel präsentierte und als Versuchsobjekt einer experimentellen Raumwahrnehmung deklarierte, montiert Gianluca Trifilò zwei Pissoirs an die Wand – so als könnte man glauben, diese seien tatsächlich zum Gebrauch vor Ort gedacht. Im Gegensatz zu Duchamp, der seinen Werken jegliche Deutung entziehen wollte, lädt Trifilò seine auf. «Wo Duchamps Werk die tradierte Vorstellung von Kunst herausforderte, soll meine Installation, die konventionellen Ansichten über öffentliche Räume, Drogenkonsum und soziale Intervention hinterfragen», so der Künstler.
Die sowohl in den Toiletten des Helmhaus' wie auch zu beiden Seiten der Urinale montierten blauen Neonröhren formen aus den Alltagsgegenständen skulpturale Objekte. Das Verhältnis von Licht und Farbe eröffnet einen ästhetischen, und zugleich irrealen Raum. Die sinnliche Wirkung der Leuchtstoffröhren kontrastiert mit den damaligen Absichten der Verdrängung und beleuchtet ein dunkles Kapitel Zürcher Sozialgeschichte. Blaues Vergessen ist ein Manifest gegen das Vergessen und will sichtbar machen, dass der Weg einer urbanen Krise nicht ohne die Betroffenen gegangen werden kann. Denn noch immer wird in Zürich lieber weg- statt hingeschaut.