Es ist bemerkenswert, dass trotz des exzessiven Gebrauchs von Opium und Alkohol in der Vormoderne, Entzugserscheinungen praktisch unbekannt waren. Ein möglicher Grund dafür könnte in der Art und Weise liegen, wie Drogenkonsum und Sucht in verschiedenen Zeiten und Kulturen betrachtet und interpretiert wurden.
In der Vormoderne könnte der Gebrauch von Substanzen wie Opium und Alkohol eher als Teil kultureller oder religiöser Praktiken angesehen worden sein, und nicht unbedingt als problematisches Verhalten, das auf eine Krankheit hindeutet. In vielen traditionellen Kulturen wurden Rausch und Ekstase als natürliche und sogar heilige Erfahrungen betrachtet.
Mit der Aufklärung und der Industrialisierung änderten sich jedoch die gesellschaftlichen Normen und Werte. Der Fokus verlagerte sich zunehmend auf Rationalität, Effizienz und Selbstkontrolle. In diesem Kontext konnte Drogenkonsum als Zeichen von Schwäche und Unfähigkeit, das eigene Verhalten zu kontrollieren, angesehen werden. Dies führte zur Konzeptualisierung von Sucht als eine Krankheit, die behandelt werden muss.
Charles Baudelaire's "Fleurs du Mal" (Die Blumen des Bösen) von 1857 ist eine Sammlung von Gedichten, die sich auf verschiedene Themen beziehen, darunter Sinneserfahrungen, Stadtlandschaften, Liebe und Verfall. Es ist wichtig zu beachten, dass Baudelaire nicht direkt den Begriff der Sucht behandelt. Dennoch können einige seiner Gedichte in Bezug auf das Thema Sucht und Drogenkonsum interpretiert werden, insbesondere wenn man sie im Kontext des 19. Jahrhunderts betrachtet.
Eines der bekanntesten Gedichte der Sammlung ist "Les Paradis artificiels" (Die künstlichen Paradiese), das den Konsum von Drogen wie Opium und Haschisch thematisiert. Baudelaire beschreibt die Rauscherfahrungen, die durch diese Substanzen hervorgerufen werden, und reflektiert dabei auch die dunklen und destruktiven Aspekte dieser Erfahrungen. In diesem Gedicht wird der Drogenkonsum nicht nur als Flucht aus der Realität, sondern auch als Möglichkeit dargestellt, die Sinne zu erweitern und die Kreativität anzuregen.
In "Les Paradis Artificiels" analysiert Baudelaire auch die psychologischen und physischen Effekte von Opium und Haschisch auf den menschlichen Geist und Körper. Dabei erkundet er die Verbindung zwischen der künstlich herbeigeführten Ekstase und der menschlichen Sehnsucht nach Vergnügen, Schönheit und Erleuchtung. Baudelaire stellt fest, dass Drogen zwar vorübergehend eine Flucht aus der Realität und einen Zugang zu einer idealen Welt ermöglichen, jedoch auch die Gefahr von Abhängigkeit und Selbstzerstörung bergen.
Die "Fleurs du Mal" kann als eine Reflexion über die Ambivalenz von Vergnügen und Schmerz interpretiert werden, die in der menschlichen Erfahrung verankert ist. Baudelaire erforscht die düsteren und verführerischen Aspekte von Schönheit und Sünde und zeigt, wie diese untrennbar miteinander verbunden sind. In diesem Zusammenhang kann man argumentieren, dass Baudelaires Werk eine Metapher für die Erfahrungen von Sucht und Verlangen darstellt – das Streben nach Vergnügen, das oft mit Schmerz und Zerstörung einhergeht.